Postindustrielles Design / 2020-03-17 / Matthias Edler-Golla, CC BY-SA 4.0


|



 



Postindustrielles Design – Hacking Household

Jesse Howard

Im Projekt „Postindustrielles Design – Hacking Household“ wollen wir uns intensiv mit der Frage auseinandersetzen, welche Rollen uns als Designer*innen in Zukunft zufallen, wenn Produkte nicht mehr primär konsumiert sondern stattdessen von uns Nutzern hergestellt, zusammengebaut, optimiert & repariert werden können.

Das Projekt wird gemeinsam von Peter Naumann und Matthias Edler-Golla angeboten und durchgeführt!

Wir wollen uns schwerpunktsmäßig mit Produkten aus unserer häuslichen Umgebung auseinandersetzen, herkömmliche Fertigungswege in Frage stellen und zukunfsfähige Alternativen dazu experimentell entwickeln.


Industrielle Revolutionen

Die Industriellen Revolutionen kann man auch als einen Demokratisierungs-Prozess verstehen: Die/der einzelne erhält zunehmend mehr Möglichkeiten, selber Sachen herzustellen.

Neuartige, disruptive Herstellungsverfahren

Produkte, die im 20. Jahrhundert nur industriell herstellbar waren, können heute von interessierten Laien in Fablabs und MakerSpaces selber hergestellt werden.

Wie schaut in dieser neuen Rollenverteilung die Aufgabe zukünftiger Designer*innen aus – und wie können sie davon leben?


Industrielle Revolution im 19. Jahrhundert

Von Panther - Steam engine in action.gif, CC BY-SA 3.0, Link

Die Industrielle Revolution führte zu einer stark beschleunigten Entwicklung von Technik, Produktivität und Wissenschaften, die, begleitet von einer starken Bevölkerungszunahme, mit einer neuartigen Zuspitzung sozialer Missstände einherging.

Das Ende dieser industriellen Revolution ist absehbar, weil Auswirkung wie Überproduktion, Zerstörung der Biosphäre, Grenzen des Wachstum usw. unübersehbar sind!


Berufsbild »Industrie Designer«

Von Eigenes Werk - Abbildungen aus Michael Thonet. Wien 1896. Scanvorlage: Sigried Gideon: Die Herrschaft der Mechanisierung. Frankfurt a.M. 1982., Gemeinfrei, Link

Die vorindustrielle Geschichte kennt keinen Designer. Erst mit der Entwicklung von Massenproduktion ergab sich die Notwendigkeit der Herstellung eines Prototyps. Diese neue Aufgabe übernahmen zumeist Künstler. Sie verfügten über das nötige räumliche Vorstellungsvermögen und zudem über ein Gespür für den Geschmack der nun anonymen Kundschaft.

Unser Beruf entstand aus der Bestrebung, immer arbeitsteiliger zu arbeiten und immer mehr Spezialisten zu haben, um die Effizienz der Produktion zu steigern.


Autohalden und Überproduktion

The Guardian

Carmakers around the world are cutting production as inventories build up to unprecedented levels. Storage areas and docksides are now packed with vast expanses of unsold cars as demand slumps

Die Auto-Industrie ist nur ein besonders sichtbares Beispiel. In vielen anderen Branchen werden ebenfalls viel zu viele Produkte hergestellt, die dann mit immer höheren Preisnachlässen verkauft werden müssen und somit einen Überkonsum anheizen.


Geplante Obsoleszenz

https://www.apple.com/de/iphone-11/

Ästhetische Obsoleszenz: Über das Design versucht man, den Kunden dahin gehend zu verführen, ein neues Modell besitzen zu wollen, weil er das bisherige Produkt als „veraltet“ empfindet. Es ist also kein technischer Grund vorhanden, der den Kunden zum Neukauf animiert, sondern ein rein ästhetischer.

Es gibt noch einige andere Arten der geplanten Obsoleszenz – die ästhetische Obsoleszenz betrifft uns Designerin jedoch besonders!*


Over Design – Closed Source

https://www.apple.com/de/macbook-pro-13/

Aktuelle Highend-Industrie-Produkte haben einen extrem hohen Gestaltungsanspruch, der nur unter riesigem Aufwand in der Fertigung erreicht werden kann. Gleichzeitig sorgt diese Ästhetik dafür, dass die so hergestellten Geräte kaum noch erweitert oder repariert werden können.

Teilweise erlischt sogar die Garantie, wenn man das eigene(!) Gerät aufschraubt…


Cradle to Grave

Häufig wird ein Produkt nach dessen Gebrauch als Abfall entsorgt. Dabei werden die Werkstoffe nur einmal verwendet und gehen entweder auf Deponien verloren oder werden der Verbrennung zugeführt und stehen damit nicht mehr zur weiteren Verwendung zur Verfügung. Die Bezeichnung „from cradle to grave“ steht für dieses ressourcenverbrauchende Prinzip.


Show Your Stripes

Annual average temperatures for GLOBE from 1850-2018 using data from UK Met Office.

These ‘warming stripe’ graphics are visual representations of the change in temperature as measured in each country over the past 100+ years. Each stripe represents the temperature in that country averaged over a year.

Auf dieser Website könnt Ihr für viele Regionen der Welt eine entsprechende Darstellung aufrufen – die letzten Jahren sind praktisch immer im roten Bereich…


Verantwortung der Designerin / des Designers

Victor Papanek: Design for the Real World

Wir sind als Designer*innen nicht (nur) unseren Auftraggebern verantwortlich, sondern (vor allem) der gesamten Gesellschaft!


Neue Rolle des Designs

Fablab Amsterdam von AaltoFablab

  • Benutzern die Möglichkeit geben, selber (innerhalb festgelegter Grenzen) kreativ zu werden
  • Produkte zu entwerfen, die zerlegbar, reparierbar und upcyclebar sind
  • Produkte zu entwerfen, die wirklich auf die Bedürfnisse einen Einzelnen eingehen und nicht nur auf eine „Zielgruppe“

Existierende Beispiele


Open Structures

https://openstructures.family/apps/a623 | https://openstructures.family/apps/a455

OpenStructures (OS) is an open modular construction system that promotes circular material flows and facilitates re-use and repair.
OS allows to build things together at a moment in time, where anyone is connected to everyone and everything can be produced everywhere.
It links modularity to collaborative innovation and new decentralised production techniques and results in a more sustainably built environment.


Jesse Howard

http://www.jessehoward.net

Jesse is an Amsterdam-based designer / researcher focusing on creating objects that question the established relationship between designers, producers, and users, and as a result speculate on new systems of making.


Wikihouse

WikiHouse is a digitally-manufactured building system. It aims to make it simple for anyone to design, manufacture and assemble beautiful, high-performance homes that are customised to their needs.

Our mission is to put the tools & knowledge to design, manufacture and assemble beautiful, low-cost, low-carbon buildings into the hands of every citizen, community and business.

Digital design // Local fabrication // Rapid assembly


SketchChair

http://sketchchair.cc/

SketchChair is a free, open-source software tool that allows anyone to easily design and build their own digitally fabricated furniture.

Bitte schaut Euch das Video an – es klärt sehr gut, wie die neuartige Produktionskette abläuft und dem Benutzer in den Entwurfsprozess einbezieht!


Werkzeuge für die Designrevolution

Niggli.ch

Wie lassen sich mit einem Hammer, einem Schraubenzieher und einer Küchenwaage die klimaschädlichen Treibhausgase einer Espressomaschine bestimmen? Im Wechsel zwischen aktivistischen Forderungen und subtilem Humor, zeigt „Werkzeuge für die Designrevolution“ auf, welche Rolle Design beim Formulieren einer zukunftsfähigen Gesellschaft auf Basis globaler Solidarität spielen kann.

Bei unserer Exkursion nach Wien versuchen wir, Harald Gründl (einen der Autoren des Buches) zu treffen!


Open Design

Design is undergoing a revolution. Technology is empowering more people to create and disseminate designs, and professionals and enthusiasts are using it to share their work with the world. Open design is changing everything from furniture to how designers make a living.

Das Buch ist leider vergriffen, die Website aber zum Glück noch online. Sie enthält alle Artikel und Use Cases – natürlich unter einer Creative Commons Lizenz


Cradle to Cradle

Von Rex banditor - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, Link

Cradle to Cradle ist ein Ansatz für eine durchgängige und konsequente Kreislaufwirtschaft. Das auch als Philosophie bzw. System wahrnehmbare Prinzip wurde Ende der 1990er-Jahre von dem deutschen Chemiker Michael Braungart und dem US-amerikanischen Architekten William McDonough entworfen. „Cradle-to-Cradle-Produkte“ sind demnach solche, die entweder als biologische Nährstoffe in biologische Kreisläufe zurückgeführt oder als „technische Nährstoffe“ kontinuierlich in technischen Kreisläufen gehalten werden können.


Kombination aus Industriellen und Neuen Fertigungsmethoden

https://thearchitectureofmobility.com/ (Max Münster)

Welche Komponenten lassen sich am sinnvollsten industriell herstellen – welche andere Bausteile dageben lokal, dezentral, von guten Handwerkern bzw. Lasercuttern, 3D-Druckern?


Exkursion ans MAK in Wien

https://www.mak.at/programm/ausstellungen/mak_design_lab_

Design ist viel mehr, als „Dinge“ zu gestalten: Design ist eine Haltung, ein Weg, Veränderungen anzustoßen, neue Lösungsansätze denk- und greifbar zu machen. Design trägt dazu bei, die Welt und unser Zusammenleben zu gestalten und die menschlichen Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten zu erweitern. Die Objekte, mit denen wir uns umgeben – analog wie digital –, die wir produzieren, kaufen, benutzen und wegwerfen, beeinflussen uns und unsere Umwelt. Dabei entscheiden unsere gesellschaftlichen Anliegen und unsere Haltungen über deren Anwendung.

Zwei- bis Dreitägige Exkursion nach Wien – Details besprechen wir zu Beginn des Projektes!

… falls uns der Corona-Virus keinen Strich durch die Rechnung macht!


Arbeitsweise

Auch hier müssen wir sehen, was trotz Corona-Virus möglich ist…


Zentrale Fragestellung

Light by Trendy from the Noun Project

Wie schaut zukünftig das Zusammenspiel zwischen industriell gefertigten Modulen (Schaltkreise, Sensoren…) und in neuen Fertigungsmethoden (CNC-Fräse, Lasercutter, 3D-Drucker…) hergestellten Komponenten aus? Was macht in diesen Kontext die Designerin, was die Prosumentin? Wie lässt sich damit Geld verdienen?


Was kann am Ende rauskommen?

Beispiele

  • ein Staubsauger, der selbst online konfiguriert und zusammengebaut werden kann
  • ein Fön, der wirklich individuellen Bedürfnissen gerecht wird
  • ein Ventilator, der aus ausrangierten Elektro-Komponenten zusammengebaut wird
  • eine Küchenmaschine, an die sich verschiedenste Bauteile andocken lassen

Organisatorisches

Das Projekt richtet sich an Studierende aller Studienrichtungen ab dem 3. Semester

Projektzeiten:

Dienstag, 9.00 Uhr – 12.15 Uhr
Donnerstag, 13:00 Uhr – 16:15 Uhr

Projektstart:

Dienstag, 24.3.20 wegen Corona noch offen! / 9.00 Uhr / Raum X 1.009

Da wir das Projekt zu zweit betreuen werden, stehen 32 Projektplätze zur Verfügung.

Achtung

Wir erwarten von allen Teilnehmenden die Bereitschaft, in Teams von ca. 3 Personen an den Entwürfen und Realisationen zu arbeiten!

Bewerbung

Bitte eine kurze, schriftliche Bewerbung per Mail an uns mit der Begründung, warum Ihr bei uns mitmachen möchtet!


Danke!

Wir freuen uns auf ein spannendes Projekt mit Euch!

Slides online bei matthias-edler-golla.de

Die gerade gezeigten Slides findet Ihr auch auf meiner Website zum Nachlesen…

Weitere Vorträge: